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Analyse von Ulrich Reitz: Es ist Zeit, über das große Islam-Tabu in Deutschland zu sprechen
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Wieder antisemitische Parolen: Berliner Polizei löst pro-palästinensische Demo in Neukölln auf
Foto: imago images/Achille Abboud/Achille Abboud via www.imago-images.de Eine pro-palästinensische Demo in Neukölln (Symbolfoto)
  • FOCUS-online-Korrespondent

Die politische Debatte über einen eingewanderten Antisemitismus springt zu kurz: Sie blendet die wichtigsten beiden Ursachen dafür aus. Das hat Folgen, etwa diese: Wie gehen wir in Zukunft mit Migranten aus Gaza um?

Jede Debatte, auch im Bundestag, die sich mit dem importierten Antisemitismus beschäftigt, greift zu kurz. Sie blendet die Geschichte aus, stellt nicht die Frage, woher dieser Antisemitismus stammt, belässt es dann bei ritualgleichen Verurteilungen von Hamas-Sympathisanten, Verweisen auf das Völkerrecht und der Beschwörung, die Deutschen stünden aus ihrer Staatsräson an der Seite Israels.

Die Gräuel der Hamas werden dann als Terror bezeichnet, und, wenn das überhaupt geschieht, dem „Islamismus“ oder dem „politischen Islam“ zugeordnet. Dahinter steht eine – gutgemeinte – politische Absicht: Jegliche Debatte über Religion will sich die deutsche Politik ersparen. Sie ist ein großes Tabu. Allerdings führt die kontinuierliche Pflege von Tabus nicht zur Wahrheit.

Der migrantische Antisemitismus ist nicht islamistisch, sondern islamisch

Und die lautet: Der migrantische Antisemitismus ist nicht islamistisch, sondern islamisch. Dass so viele, vielleicht sogar die meisten Moslems antijüdisch eingestellt sind, hat tiefe Ursachen, und die sind Teil der politischen Sozialisation in arabischen Ländern. Dass viele arabische Migranten nicht nur mit der „palästinensischen Sache“ sympathisieren, sondern dabei auch antisemitisch denken, ist kein Zufall, denn:

Der Antisemitismus ist Bestandteil des islamischen Glaubens. Und zwar nicht, weil dies Imame in Freitagsgebeten auf der ganzen Welt predigen würden, sondern weil sie sich dabei auf ihre heilige Überlieferung berufen können. Es gibt den migrantischen Antisemitismus, weil er integraler Bestandteil des Glaubens von Moslems ist, denn: Der Antisemitismus steht im Koran.

Abdel Hakim Ourghi ist Freiburger Islamwissenschaftler und Religionspädagoge. Über sich selbst sagt Ourghi, er sei als „indoktrinierter Antisemit“ nach einem Studium an der Universität von Oran aus Algerien nach Deutschland eingewandert. Er habe erst einmal lernen müssen, sich mit dem Judentum auseinanderzusetzen.

Heute ist Ourghi, studierter Islamwissenschaftler, einer der wichtigsten Vertreter des Reformislam in Deutschland. Reform-Moslems sind kritische Gläubige, die sich für eine zeitgemäße und mit den westlichen, demokratischen Werten zu vereinbarende Auslegung des Koran einsetzen. Was Folgen hat:

Etwa für die Bewertung des Judentums durch Moslems. Ourghis jüngstes, vor kurzem erschienenes Buch könnte aktueller nicht sein. Es heißt: „Die Juden im Koran – ein Zerrbild“. Im Koran, sagt Ourghi, stehe ein „ganzes Sündenregister“ über Juden. Die würden dort nicht nur „Ungläubige“ genannt, sondern auch – welches Zerrbild – als Affen und Schweine dargestellt.

Die antisemitische Grundierung des Islam ist eines der großen Tabus in Deutschland

In diesem Zusammenhang: Man erinnere sich an den Documenta-Skandal, als ein indonesisches Künstlerkollektiv Juden mit Schweinegesichtern abbildete. Und wie schwer sich die Veranstalter damit taten, aus dieser klaren Form von Antisemitismus überhaupt Konsequenzen zu ziehen. Derartiges ist aber nicht irgendeine abseitige, islamistische Spielart, sondern geht nach Ourghi zurück auf den Koran selbst.

Zum ersten islamischen Judenpogrom kam es schon im Jahr 624, nur wenige Jahre nach der „Gründung“ des Islam. Befohlen wurde es vom Propheten Mohammed selbst, nachdem er die Juden in Verhandlungen nicht dazu bewegen konnte, zum Islam zu konvertieren. Die jüdischen Frauen seien damals versklavt worden, die Männer getötet, sagt Ourghi. Der Islam war damals die junge Religion, das Judentum die alte, und das Pogrom passierte, nachdem der Prophet von Mekka – die „friedvolle“ Periode des Islam, nach Medina ausgewandert war, wo er sich und den Islam radikalisierte.

Die antisemitische Grundierung des Islam ist eines der großen Tabus in Deutschland. Es wird gepflegt von allerhöchster Stelle. Bei islamistischen Terror-Anschlägen erklärte die Bundeskanzlerin Angela Merkel, dies habe nichts mit dem Islam zu tun. Das ist augenscheinlich falsch – denn jeder Terror-Anschlag richtet sich gegen „Ungläubige“. Und es lässt sich auch nicht ignorieren, dass sich bei allen islamistischen Terror-Anschlägen die Täter auf ihren Glauben berufen, ebenso wie häufig bei Messerattentaten, die von islamischen Migranten begangen werden.

Die jüngste Ermordung von zwei schwedischen Fussballfans in Brüssel begründete der Täter mit seiner Religion – Schweden schreitet gegen öffentliche Koranverbrennungen nicht ein, das Land hält es für einen Ausdruck von Meinungsfreiheit.

Der arabische Nationalismus ist nicht nur säkular, sondern auch religiös grundiert

Es gibt neben den islamischen Glaubensgrundsätzen noch eine weitere Wurzel des migrantischen Antisemitismus. Sie erklärt, weshalb Araber und Türken zur Verteidigung selbst der Hamas auf deutsche Straßen ziehen: den arabischen und türkischen Nationalismus. Dieser Nationalismus ist nicht nur säkular, sondern auch religiös grundiert – man kann dies beim türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan sehen, aber auch beim ägyptischen Staatsoberhaupt al-Sisi, einem frommen, praktizierenden Sunniten, der zugleich den säkular-nationalistischen Präsidenten Nasser verehrt.

Der arabische und der türkische Nationalismus hat als Bild seines idealen Staatsbürgers den Moslem sunnitischen Glaubens. Das hatte Folgen für Andersgläubige: Aleviten, Christen und eben auch Juden werden in diesen Ländern diskriminiert und schikaniert. Heute leben – dies wird in den politischen Debatten hierzulande permanent ausgeblendet – praktisch keine Juden mehr in arabischen Staaten. Wohl aber leben Araber im Staat der Juden. Jeder fünfte Einwohner Israels ist ein arabischer Israeli.

Wer wie der Bundeskanzler sagt, Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson, muss auch über die Migration aus arabischen Ländern nach Deutschland nachdenken. Und akut darüber, wie Deutschland mit Flüchtlingen aus Gaza umgehen will. Hunderttausende sind auf dem Weg in den Süden des Gaza-Streifens. Ägypten und Jordanien haben schon unmissverständlich klargestellt, dass sie Flüchtlinge aus Gaza nicht aufnehmen werden. Jordanien mit dem Hinweis, ein Drittel der Einwohner des Landes seien bereits Palästinenser.

Wer wissen will, weshalb Europa Judenhasser nicht mehr los wird, sollte nach Brüssel schauen

Von SPD und Grünen hört man dazu bislang – nichts. Wohl aber von der Union. Deren Führung fordert, die Nachbarstaaten müssten Flüchtlinge aus Gaza aufnehmen – so wie Deutschland und Polen Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hätten. Dahinter steht die Philosophie, die sich aus der praktischen Erfahrung mit Fluchtbewegungen weltweit speist: Die meisten Flüchtlinge wollen nicht alle Brücken zu ihren Heimatländern abbrechen und fliehen darum in die Nachbarländer. Doch es gibt eine Ausnahme:

Europa, und in Europa gibt es auch noch einmal einen Ausnahmestaat als Aufnahmeland: Deutschland. Wegen der materiellen und – auch darüber wird viel zu wenig diskutiert – rechtlichen Rahmenbedingungen hat sich Europa und besonders Deutschland zum Magneten für arabische und afrikanische Flüchtlinge entwickelt.

Nirgendwo auf der ganzen Welt wird das Asylrecht so migrantenfreundlich ausgelegt wie in und von der Europäischen Union. Kombiniert mit der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat das zur Folge, dass Abschiebungen praktisch unmöglich sind. Das ist – neben dem oft fehlenden politischen Willen – der eigentliche Grund, weshalb so wenige abgelehnte Asylbewerber oder Migranten mit lediglich Duldungsstatus abgeschoben werden. Wer wissen will, weshalb Europa Judenhasser nicht mehr los wird, sollte nach Brüssel schauen.

Die nächste Groß-Debatte dürfte sich um Gaza drehen: Wie soll Deutschland damit umgehen, wenn als Konsequenz aus der erwarteten israelischen Bodenoffensive eine Flucht aus diesem Kriegsgebiet nach Europa einsetzt?

Dazu hat der Generalsekretär der CDU eine klare Meinung. Carsten Linnemann zu “Welt TV": „Wenn wir sagen, wir sind an der Seite Israels, dann heißt das konkret, dass wir eben nicht Sympathisanten der Hamas hier aufnehmen können.“

Preisfrage: Wenn ein Grund für den Antisemitismus arabischer Muslime die Lehren des Koran - plus der arabische Nationalismus - ist: Was heißt das für die künftige Aufnahme von Migranten aus diesen Ländern?  

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